Dienstag, 15. September 2015

Wohnzimmerregal: Night on Earth (1991)


Kommen wir zu dem Film, der mich zu Jarmuschs anderen Werken gebracht hat, der Film, der mich davon überzeugt hat, dass das Medium nicht nur von lauter Action oder kryptischer Kunst dominiert werden muss. Zu der Zeit waren die Nouvelle Vague oder der neue deutsche Film noch keine Begriffe für mich. Kommen wir nun zu Jarmuschs fünften Film, der auf mich wohl den meisten kreativen Einfluss gehabt hat: Night on Earth.

Es werden fünf Geschichten rund um den Globus zur selbe Zeiten in unterschiedlichen Zeitzonen erzählt. Wie auch schon in den Vorgängerfilmen stehen dabei kleine Konfrontationen zwischen unterschiedlichen Charakteren im Vordergrund: In Los Angeles trifft ein abgebrühter weiblicher Casting-Agent auf einen jungen weiblichen Taxifahrer, und sie sprechen über ihre Probleme in ihren Berufen. In New York möchte der Schwarze Yoyo in der Nacht nach Brooklyn gefahren werden. Als ein Taxifahrer endlich anhält, macht er Bekanntschaft mit Helmut, einem Ostdeutschen, der nach dem Mauerfall in die USA ausgewandert ist.

In der dritten Geschichte in Paris nimmt ein von der Elfenbeinküste stammender männlicher Taxifahrer eine blinde Frau mit und sie sprechen über das Leben mit Einschränkungen. In Rom rast ein männlicher Taxifahrer durch die Gassen und nimmt einen älteren, männlichen Priester auf, der zum Schluss an einem Herzinfarkt stirbt. In der letzten Geschichte in Helsinki fährt der männliche Taxifahrer Mika drei Betrunkene nach Hause. Zwei davon erzählen vom Leid des dritten. Mika wendet daraufhin ein, dass es noch wesentlich schlimmer kommen kann und spricht über sein Leid. Der Film endet damit, dass Mika die drei absetzt.

Die Geschichten sind meiner Ansicht nach nicht darauf ausgelegt, dass sie eine mitreißende Handlung erzählen sollen. Meiner Ansicht nach geht es vielmehr darum, dass der Zuschauer einen Einblick in das Leben der Taxifahrer und ihrer Gäste erhält. Wie verhalten sich Menschen in der Nacht, was erzählen sie von ihrem Leben? Für alles andere ist in den kurzen Geschichten keine Zeit. So schnell wie die Taxigäste eingestiegen sind, so schnell steigen sie wieder aus. Mich hat diese Herangehensweise sehr beeindruckt. weil sie den Film so unkompliziert macht. Ich muss keinem Plot folgen, sondern ich kann mich auf die Menschen konzentrieren. Wenn ich etwas verpasse, dann bricht nicht der komplette Film auseinander. Jeder einzelne Satz hat eine Bedeutung.

Und das ist es auch, was mich dann doch so berührt hat. Der Film wird auf die Charaktere heruntergebrochen. Ich kann mich auf die Gefühle der Figuren konzentrieren, ohne dass ich sofort zum nächsten Punkt der Handlung voranschreiten muss. Die Gespräche sind die Handlung. Mir ist das sehr wichtig, denn häufig bleibt in größeren Filmen dafür wenig Zeit, weil das Tempo dadurch verloren geht. Einzig Tarantino schafft es meiner Meinung nach Dialoge und Handlung miteinander zu verbinden, ohne dass das eine dem anderen die Wirkung nimmt. Aber um das zu erreichen, nutzt er viele Referenzen und bleibt sehr klischeehaft, was die Glaubwürdigkeit der Filme beeinflusst.

Jarmusch erzählt in diesem Spektrum wesentlich ruhiger und hat auch keine Angst davor, dass seine Filme nicht spannend sind. Und das genieße ich an diesen Filmen. Mich hat das sehr in meinen Vorstellungen davon geprägt, was Filme für eine Bedeutung im Leben von Menschen haben können und auch, was Medien insgesamt anderen mit auf den Weg geben können.

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