Samstag, 26. September 2015

Falsch!

Ich brauche mehr Menschen in meinem Leben, die mir sagen, dass ich falsch liege und mir genau erklären, warum sie das denken. Ich bin davon überzeugt, das das ein Anspruch ist, den selbstkritische Menschen haben sollten, weil er dazu führt, dass man mit neuen Vorstellungen konfrontiert wird, die einem dabei helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen. Nennen wir diese Überzeugung doch Überzeugung A.

Wenn ich dazu übergehen würde, mich selbst in diesem Beitrag zu kritisieren, dann würde ich damit anfangen, dass ich das Gegenteil behaupte (Überzeugung B): Es ist nicht gut, dass sich selbstkritische Menschen mit anderen Personen austauschen, die ihnen erklären, warum sie falsch liegen.

Dabei möchte ich gar nicht widersprechen, dass selbstkritische Menschen mit neuen Vorstellungen konfrontiert werden, die ihnen dabei helfen können, Zusammenhänge besser zu verstehen. Ich würde allerdings im Gegenzug erwähnen, dass manche Menschen daraufhin ein wesentlich unsicheres Bild von der Wirklichkeit aufbauen, das die Interpretation ihrer Wahrnehmungen verkompliziert und ihnen am Ende nicht wirklich weiterhilft, weil es keine richtige Antwort gibt.

Zum Beispiel: Es gibt einen Tierzüchter, der davon überzeugt ist, dass seine speziellen Techniken eine Wirkung auf Tiere haben. Doch plötzlich findet er heraus, dass es wahrscheinlich nicht seine Techniken gewesen sind, sondern die Tatsache, dass er ihnen Essen gegeben hat. Aus diesem Grund fragt er sich: Wie kann ich noch davon überzeugt sein, dass meine Handlungen in irgendeiner Weise relevant sind, wenn ich damit konfrontiert wurde, dass sie in einem Bereich, von dem ich überzeugt gewesen bin, nicht relevant waren?

Natürlich könnte man als Vertreter von Überzeugung A jetzt antworten, dass der Tierzüchter doch ansonsten nur in einer Illusion leben würde. Doch jetzt steigt der Vertreter von Überzeugung B ein und vollendet sein Beispiel mit dem, was man in der Realität wohl eher vorfindet: Der Tierzüchter findet eine weitere Quelle, die besagt, dass seine Techniken doch wirksam sind. Doch welcher Information vertraut er nun? Beide haben den Anspruch auf Realität, aber beide sind gleich viel wert. Nach weiteren Analysen kann er feststellen, dass seine Techniken wahrscheinlich doch wirksam sind, jedoch nur unter bestimmten Bedingungen. Doch als er die Bedingungen verändert, stellt sich heraus, dass die Tiere auch weiterhin so reagieren wie vorher. Je mehr Forschungen der Tierzüchter betreibt, desto verwirrender werden die angeblichen Faktoren, die Einfluss auf die Tiere haben.

Der Tierzüchter arbeitet in der Erweiterung des Beispiels nach den Prinzipien eines selbstkritischen Menschen, der widerlegt werden möchte, befindet sich aber am Ende in einer Situation, in der er nicht weiß, was der Ursprung des Verhaltens der Tiere ist und es wahrscheinlich niemals herausfinden wird. Er weiß nur, dass wenn er sich so verhält, wie er es immer getan hat, die Ergebnisse erhält, die er sich wünscht. Dennoch kann er die vorgebrachten Punkte der Quellen nicht vollständig widerlegen, weil er eben nicht dieselben Situationen reproduzieren kann. Er kann nicht ausschließen, dass er einen Fehler im Verständnis gemacht hat. Er kann nicht ausschließen, dass er eine Variable übersehen hat.

Und jetzt stellen wir uns vor, dass sich diese Situation nicht nur auf die Tierzüchtung anwenden lässt, sondern auf jeglichen Themenbereich, zu dem wir uns jemals geäußert haben. Egal, was wir tun, wir verkomplizieren eine Situation, die funktioniert, um etwas zu erreichen, was nicht erreicht werden kann: Wahrheit. Und wir strengen uns an und strengen uns noch mehr an, nur um zu einem Punkt zu kommen, an dem wir wieder nicht wissen, welcher Überzeugung wir vertrauen können.

A: Das mag sein, aber gleichzeitig finden wir möglicherweise Zusammenhänge für andere Themenbereiche, die etwas verbessern, wovon wir zunächst ausgegangen sind, dass es sich nicht mehr verbessern lässt.

B: Aber warum überhaupt anstrengen, wenn wir auch einfach mit dem zufrieden sein können, was wir jetzt haben?

A: Das kommt darauf an, wovon man überzeugt ist? Reicht es einem aus, dass man selbst glücklich ist, dann mag es sein, dass Zufriedenheit mit den bisherigen Zuständen ausreicht, um glücklich zu werden.

B: Möchte man aber, dass es allen immer besser geht, dann wird man möglicherweise nie zufrieden und nie glücklich sein.

A: Möglicherweise wird man nie glücklich sein. Vielleicht gibt es aber im menschlichen Wesen einen Zustand, der erreicht werden kann, bei dem sich das innere Wohlbefinden im Einklang mit dem äußeren Zustand befindet, weil keine Bedürfnisse mehr übrig bleiben.

Fühlt man sich jetzt mit dieser Vorstellung besser? Sollte man sich jetzt darauf einlassen, in Kontakt mit anderen, seine Überzeugungen über Bord zu werfen?

Ich denke: Ja.

Aber ...

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