Freitag, 24. April 2015

Warum ich keinen Alkohol trinke.

Das ist für mich eine schwierige Frage, weil der soziale Nutzen, den Alkohol auf Beziehungen und gesellschaftliche Akzeptanz hat, einer der besten Gründe ist, sofort damit anzufangen. Außerdem sind die negativen Folgen überschaubar, und das Suchtpotenzial spielt für mich sowieso keine Rolle. Also warum verzichte ich dennoch so komplett auf Alkohol?

Ich glaube, mein bestes Argument ist folgendes: Für mich ist das Angetrunkensein heutzutage mehr oder weniger wie Karneval, ein gewolltes Verstelltsein, um gesellschaftlich tabuisiertes Verhalten ausleben zu können und dafür nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. Ich möchte das jedoch nicht. Ich möchte, dass Menschen ihre Gefühle und Wünsche nicht unterdrücken müssen und diese dann nur ausleben, wenn sie davon ausgehen können, dass sie dafür nicht bestraft werden.

Für mich ist das eine Form der Verdrängung. Und Alkohol ist der gesellschaftlich akzeptierte Umgang mit diesem Problem. Anstatt sich intensiver mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen, seine Bedürfnisse zu hinterfragen und sich nicht dafür zu schämen, dass man so ist, wie man sich fühlt, schaffen wir als Gesellschaft lieber verschiedene Anonymisierungen in Form von dunklen Tanzclubs, in denen wir uns nicht erkennen, einen Alkoholgenuss, damit wir für alles zugänglicher werden und laute Musik, um uns in dieser Situation nicht zu langweilen.

Als Menschen schämen wir uns für so vieles. Und ich glaube, das ist der Grund, warum ich keinen Alkohol trinke: Ich möchte mit mir selbst im Einklang stehen. Und wenn ich mich, während ich betrunken bin, mehr trauen würde, dann würde ich unzufrieden mit mir selbst sein, weil ich etwas in mir unterdrücke, das zu mir gehört und mit dem ich mich bisher nicht auseinandergesetzt habe. Aber wenn ich nun einmal, weil ich zufrieden bin, eben nichts anderes als sonst auch tun würde, dann brauche ich dementsprechend auch keinen Alkohol.

Wenn ich mir das so durchlese, dann klingt das jetzt äußerst vorwurfsvoll gegenüber allen Menschen, die Alkohol trinken, weil es halt Spaß macht und die Situation auflockert und cool ist und so. Und das möchte ich auch nicht. Menschen sollen Spaß haben und glücklich sein! Ich habe nur für mich festgestellt, dass ich das bei Alkohol nicht so empfinde.

Donnerstag, 16. April 2015

Absichten

Können Absichten den Grund für eine Handlung offenbaren? Auf der einen Seite haben wir die Überzeugung, dass Menschen rationale Entscheidungen aufgrund von vorgelegten Informationen treffen. Sie wägen zwischen verschiedenen Möglichkeiten ab und zeigen, dass ihre Vorstellungen an einen gewissen Zweck gebunden sind, den sie zu erreichen gedenken. Zum Beispiel: Ich treibe Sport, weil ich gemerkt habe, dass es mir gut tut. Auf der anderen Seite steht die Überzeugung, dass die Begriffe Absicht und Zweck lediglich eine Geschichte erzählen, mit der wir uns gut fühlen können. Wir können uns zwar scheinbar selbst erklären, warum wir in bestimmten Momenten auf eine bestimmte Weise gehandelt haben, aber wir wissen nicht, ob diese Erklärungen zutreffend sind. Gleiches Beispiel: Ich treibe vielleicht nicht so sehr Sport, weil ich als Mensch zu der Überzeugung gekommen bin, dass es mir gut tut, sondern eher weil mein Unterbewusstsein die Zwänge der Gesellschaft spürt, dass ich sonst als faul wahrgenommen werde und mich deshalb dazu anleitet, auf den Stepper zu steigen.

Beide Varianten erscheinen zunächst einmal logisch. Bei beiden Varianten erscheint es mir allerdings so, dass außer Acht gelassen wird, aus welchem Grund wir überhaupt erklären wollen, warum wir handeln. Meiner Ansicht nach können wir jedoch nicht feststellen, ob eine Methode ihr Ziel erreicht hat, wenn wir nicht wissen, was überhaupt erreicht werden sollte. Geht es darum, die Frage nach dem Handlungsgrund zu stellen, weil wir wissen wollen, was wir uns selbst erzählen? Ich fühle mich gut, weil ich einem Ziel näher gekommen bin. Oder geht es darum, zu erklären, warum wir als Menschen bestimmte grundlegende Neigungen besitzen? Ich fühle mich gut, weil ich eben als menschliches Wesen überhaupt in der Lage dazu bin, Glück zu empfinden, weil ich die körperlichen Voraussetzungen dazu habe, weil sich bestimmte Prozesse in mir abspielen, die mich dazu bringen, mich so zu verhalten.

Für mich erschließen beide Vorstellungen jeweils einen eigenen Weg, um einen Aspekt eines wiederum übergeordneten Ziels zu beleuchten. Was jedoch dieses Ziel sein soll, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Biologisch gesehen könnten wir argumentieren, dass wir den Grund unserer Handlungen deshalb erklären wollen, weil uns die Informationen dabei helfen, entweder ein ausgeglicheneres oder ein sicheres Leben zu führen, sodass wir letztendlich länger überleben. Auf der anderen Seite könnten wir wiederum rational argumentieren, wenn es uns darum geht, ein glückliches Leben zu führen, das entweder durch ein besseres Selbst- oder wiederum durch ein besseres Allgemeinverständnis geprägt ist.

Beide Zielargumentationen erscheinen mir gleichberechtigt, sie haben aber unterschiedlichen praktischen Nutzen. Wenn wir erklären wollen, wie wir als Menschen in die Natur hineinpassen, wie wir mit dieser interagieren, eben weil wir uns davon erhoffen, mehr darüber zu erfahren, welche Wirkung die Natur auf uns hat und wie wir diese Wirkung möglicherweise beeinflussen können, dann lohnt sich wahrscheinlich eher eine biologische Argumentation, die wiederum eine auf grundlegende Neigungen abzielende Erklärung in den Vordergrund setzt, da diese im Vergleich zum Individuum mehr Relevanz für die Allgemeinheit besitzt. Wer so argumentiert, kann erklären, wie wir die Natur beeinflussen können, um uns selbst zu beeinflussen. Wenn wir auf der anderen Seite jedoch erklären wollen, warum wir zufrieden mit uns selbst sind, warum wir uns als Individuen glücklich fühlen, dann lohnt sich eher die auf das rationale Denken ausgerichtete Zielargumentation, die wiederum eine zweck- oder zielorientierte Erklärung in den Vordergrund setzt, jedoch wenig Raum für wissenschaftliche Erkenntnisse lässt, da diese in diesem Fall für die Erklärung von persönlichen Entscheidungen keine Rolle spielen. Es wäre einfach überflüssig, zu erklären, welche physikalischen Prozesse darauf Einfluss haben, dass ich etwas esse, wenn ich meine Handlung wesentlich einfacher erklären kann, indem ich sage, dass ich hungrig gewesen bin und das wiederum der Antrieb für meine Handlung gewesen ist.

Meiner Ansicht nach ist es aber nur überflüssig, diese Prozesse zu erklären, wenn es uns darum geht, unser eigenes Wohlbefinden in den Vordergrund zu stellen. Denn das physikalische, chemische, biologische, psychologische oder soziale Prozesse Einfluss auf unser Handeln haben, dürfte schwierig zu bezweifeln sein. Wenn man jedoch davon überzeugt ist, dass Wahrheit sich nur darüber ergeben kann, unsere eigene Interaktion mit der Natur zu offenbaren, weil nur das Wissen über die konkreten Prozesse innerhalb dieser Interaktion uns die Möglichkeit gibt, uns umfangreicher selbst zu verstehen, dann erscheint eine zweck- oder zielorientierte Erklärung als zu kurz: Warum isst du den Salat? Warum möchtest du dich etwas leichter ernähren? Warum möchtest du dich gesund ernähren? Warum möchtest du am Leben bleiben? Warum sind Menschen so ausgestattet? Warum hat die Natur diesen Zustand herbeigeführt? Warum funktioniert das Universum so? Eine Frage nach dem eigenen Handeln endet meiner Ansicht nach immer in einer Frage nach der Beschaffenheit aller Lebewesen, was eine biologische Argumentation weitreichender und damit wahrhafter erscheinen lässt.

Wenn einem jedoch Gesundheit oder Sicherheit als Grundkonzept des Lebens als Erklärungsmuster genügt, dem erscheint meiner Ansicht nach eine rationale Argumentation als wesentlich dienlicher, da diese weniger Umwege machen muss, um zu Ergebnissen zu kommen. Sie ist schneller und stärker im Alltag angesiedelt. Zum Beispiel: Ich esse Schokolade, weil ich weiß, dass es mir dann besser geht, weil es mir gerade schlecht geht, weil du nicht bei mir bist. Wenn das als Erklärung ausreicht, dann ist es vollkommen nachvollziehbar, jegliche übermäßig naturwissenschaftliche Auswertung dieser Situation als sinnlos und nicht zielführend abzulehnen, denn die Erkenntnisse die sie uns bringt, lassen sich nicht ohne Weiteres in eine Sprache rückübersetzen, die uns mehr als das, was uns das Rationale bereits mitgeteilt hat, sagen kann.

Was hier meiner Meinung nach jedoch vergessen wird, ist die Möglichkeit über den Tellerrand hinaus zu blicken und Möglichkeiten auszuspähen, sich besser selbst zu reflektieren. Ich bin möglicherweise traurig, weil du nicht da bist und deshalb esse ich Schokolade. Aber ich weiß durch mein psychologisches Fachwissen gleichzeitig auch, dass das ein menschliches Gefühl ist, dass mich am Leben erhält, weil wir als Menschen ein unglaublich stark ausgeprägtes soziales Bewusstsein besitzen. Und mit diesem Wissen, muss ich jetzt zum Beispiel keine Schokolade mehr in mich hineinstopfen, eben weil ich mir möglicherweise bewusst machen kann, dass Traurigkeit zur Interaktion zwischen Mensch und Natur dazugehört und ich mich ihren Zwängen nicht so hingeben muss, wie es mir im ersten Moment erschienen ist.

Ich habe das Gefühl, dass beide Seiten aneinander vorbeireden, weil nicht darüber reflektiert wird, was man überhaupt aus welchem Grund tut. Und das halte ich für ein wenig lustig, da beide Ansätze darüber argumentieren, welches Erklärungsverfahren besser darin ist, Gründe zu erklären. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass beide Verfahren ihren Nutzen besitzen und sich in der Beschreibung der Wirklichkeit ergänzen können, je nach Angemessenheit bzw. Erklärungsbedarf, dann kann diese Diskussion möglicherweise abgeschlossen werden, ohne das Köpfe rollen müssen.

Dienstag, 7. April 2015

Wenn zwei Züge sich treffen

Ich lerne für mein Leben gern. Doch es ist noch gar nicht so lange her, dass dieses Verhalten für mich nicht so selbstverständlich gewesen ist. Früher war ich eher der Auffassung, dass das Lernen nur eine vorübergehende Unannehmlichkeit darstellt. Ich lerne eben für die Schule und dann werde ich Schriftsteller oder Programmierer oder Regisseur. Dann brauche ich das alles nicht mehr und kann mich meinem kreativen Umfeld widmen. Keine Wasserstoffbrückenbindungen mehr, kein DNA-Aufbau, nicht einmal die Gesetze der Thermodynamik. Alles überflüssig.

Denn wenn wir mal ehrlich sind, wozu lernen wir das alles? Wie häufig stellt man sich diese Frage in Mathematik, wenn es darum geht, Extremwertfunktionen zu lösen. Ist es wirklich so alltäglich, dass wir Wachstumsfunktionen von irgendwelchen Zellhaufen bestimmen? Oder sitzen wir nicht viel wahrscheinlicher in einem Großraumbüro und tippen Zahlen in eine vom IT-Typen vorgefertigte Excel-Tabelle ein? Müssen wir wissen, wie Atome in ihrem Innersten aufgebaut sind, wenn unser Anspruch darin besteht, die Werkstatt unseres Vaters zu übernehmen oder Fotografie zu studieren?

Nein. Niemand muss etwas lernen, wenn er etwas anderes mit seinem Leben anfangen möchte, wenn es ihm nicht bei den Dingen weiterhilft, die er zu erreichen gedenkt. Nur muss sich diese Person gleichzeitig darauf einstellen, dass sie an einer Vielzahl von Diskussionen nicht mehr teilnehmen kann. Denn wer nicht versteht, welche Folgen eintreten können, der kann auch keine überlegten Entscheidungen treffen. Gleichzeitig entgeht der Person die Schönheit, die Wissen mit sich bringen kann: Zu verstehen, wie die Kräfte des Universums, die Wirklichkeit jedes einzelnen Sternes unseres Nachthimmels, jedes einzelnen Sandkornes unserer Erde, jedes Atoms in uns selbst geformt haben. Für jemanden, der nicht daran interessiert ist, sich mit den Möglichkeiten des Universums vertraut zu machen, hängen dort oben nur ein paar glitzernde Punkte. Für alle anderen ist es unser Ursprung, unsere Bestimmung.

Wer lernt, hat mehr Möglichkeiten, auf eine Weise zu leben, die er sich jetzt noch nicht einmal vorstellen kann. Wer lernt, kann sich aussuchen, wohin er gehen möchte und es bereitet ihn auf die Schwierigkeiten vor, die ihm das Leben entgegenwirft. Wer lernt, versteht die Schwächen und Stärken der Menschen um sich herum. Nur kann eben niemand vorausahnen, wie einen das Neue verändert. Man kann nur lernen und darüber reflektieren. Man kann nur auf sich selbst aufpassen und das Leben mit jeder Kleinigkeit ein bisschen besser nachvollziehen. Das ist die Leistung des Lernens.

Wenn zwei Züge sich treffen, dann geht es nicht darum, die Zeit zu messen. Es geht darum, dass die Züge sich überhaupt bewegen, es geht darum, dass es überhaupt möglich ist, als Mensch zu verstehen, dass es so etwas wie Zeit gibt, dass wir sie nutzen können, um unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn zwei Züge sich zu einer bestimmten Zeit treffen, dann zeugt dieses Ereignis davon, dass wir als Menschen in der Lage dazu sind, durch unser Lernen alles herauszufinden.

Durch mein endloses Nachdenken habe ich mich schon immer für viele Dinge interessiert. Aber letztendlich habe ich mich erst intensiver mit dem Lernen beschäftigt, als mir ein Mädchen aufgezeigt hat, was Naturwissenschaften so vielschichtig macht, wie alles ineinander aufgeht, wie die Einzelteile abstrahiert werden können, um Systeme zu bilden, die von den gleichen Kräften zusammengehalten werden, die unser Universum erschaffen haben. Das hat mich damals fasziniert und das fasziniert mich noch heute. Und wahrscheinlich wird es das sein, was mich mein Leben über begleiten wird: die Faszination für das Neue, das Unberechenbare, das Schöne.