Montag, 22. Dezember 2014

Heute Morgen

Der Laptop dudelt Musik.
Ich weiß nicht genau, warum ich aufgewacht bin. Ich bleibe einen Augenblick liegen.
Neben meinem Bett auf dem Fensterbrett liegt das Handy.
Nachrichten warten darauf, beantwortet zu werden.
Aber heute muss das Handy warten.
Ich stehe auf, schaue mir die Sachen an, die ich gestern achtlos neben mein Bett geworfen habe.
Ich ziehe mir eine neue Hose an, dazu ein T-Shirt und meine schwarze Baumwolljacke.
Der Mann steht neben der Tür. Er ist schon ziemlich runzelig, sein Gesicht ist eigentlich eine
Ansammlung aus Falten. Auf seinem Kopf lichtet sich sein Haar. Es sieht so aus, als hätte er
sich das fehlende Haar, um es nicht zu verlieren, in Nasen und Ohren gestopft.
Er sieht nett aus, aber wenn man genau hinsieht auch ein bisschen wahnsinnig.
Ich schaue den Mann an. Der Mann verbeugt sich.
"Freut mich, dass Sie wach sind, mein Herr.", sagt er.
Ich gehe ins Badezimmer und putze mir die Zähne. 
Ich wollte heute eigentlich nach Cottbus fahren, ein paar Sachen erledigen.
Aber das muss ich verschieben.
Ich spucke aus und spüle mir den Mund. Dann schaue ich mich im Spiegel an.
Ich bin zufrieden mit mir. Gedankenverloren blicke ich in mein Gesicht.
Der alte Mann räuspert sich.
"Mein Herr, ich möchte Sie nicht drängen, aber..."
Ich löse mich vom Spiegel.
"Nein, ich weiß, der Zeitplan und so, viel zu tun heute..."
Der alte Mann nickt.
Ich gehe zur Tür und ziehe mir die Schuhe an.
Der alte Mann geht mit mir zu dem Auto, was vor der Haustür wartet und hält mir die Tür auf.
Ich steige in das Auto und der alte Mann setzt sich ans Steuer. Der Wagen setzt sich in Bewegung.
"Du?" frage ich den alten Mann.
"Hm?"
"Manche Leute sagen, Glück ist, wenn man macht, was einem gefällt."
"Das ist durchaus möglich, mein Herr."
Ich lehne mich zurück und schaue aus dem Fenster.
Das Auto verblasst langsam, bis man es irgendwann nicht mehr sieht.
Der Laptop dudelt noch eine Weile Musik, bis er schließlich aufhört.
Sonnenstrahlen wandern langsam über das leere Bett.

Samstag, 13. Dezember 2014

Warmer Regen... oder der Geruch von Minze

Tag für Tag durch schreitet sie diese kleine verträumte Gasse und so verträumt wie der kleine steindurchzogene Weg war so verträumt war auch sie. Beim Begehen des Pfades wird ihr Körper immer durch ein komisch vertrautes Gefühl durchströmt, ein Gefühl von Zuhause. Schwer zu beschreiben wenn man es selbst nicht fühlt. Von Außen betrachtet wirkt es wie eine Art Symbiose. So war das schon seit einigen Jahren, doch heute ist irgendetwas anders. Eine gewisse Skepsis zeichnet sich in ihrem Gesicht ab. Ihr Körper rührt sich nicht, sie steht einfach nur am Eingang des schmalen Weges, der ihr bis jetzt so viel Geborgenheit gegeben hat. Wie eine Säule steht sie da, unfähig weiterzugehen. Nur ihre Augen wandern ziellos durch die Gegend, nicht in der Lage etwas zu erkennen. Einfach nur die Dinge des Alltags beobachten und an sich vorbeiziehen lassen. Eine Frage gewinnt in ihr immer mehr Raum, hat sich etwas verändert und wenn ja ist es der Ort oder sie selbst?

Der frische Herbstwind lässt bunte Blätter tanzen, eine Schar Vögel streiten sich um ein paar Nüsse. Sieht so aus als wenn die Schalenfrüchte mithilfe von vorbeifahrenden Autos geknackt worden sind. Eine ziemlich merkwürdige Anpassung an den Fortschritt doch auch irgendwie faszinierend. Wie gebannt schaut sie dem wilden Treiben der Vögel zu. Warum ist ihr das bis jetzt nicht aufgefallen und warum fühlt sie sich außer Stande weiter zu laufen?  Einfach nur da stehen und beobachten, wie so oft nur Beobachterin und nie selbst mitten drin. Es ist so kinderleicht mittelmäßig zu sein. Das einzige was aus der Ferne ruft ist die lähmende Ruhe die langsam immer näher kommt und versucht sie in den Arm zunehmen.

Und plötzlich ist es da, das Gefühl aus den jungen Kindertagen! Die Zeit vergeht auf einmal wieder so langsam, alles bewegt sich in Zeitlupe. Ist sie einfach zu schnell oder alles andere nur langsamer geworden? Alles wird grau und Bewegungslos, nur noch endlose Stille ist zu hören. Die Bedeutungslosigkeit dringt tief in ihr Mark ein und versucht sie in die Endlosigkeit zu ziehen. Sie schleißt die Augen, die vergangenen Jahre ziehen an ihr vorbei. Wo fängt Weihnachten an und wo hört Ostern auf? Alles verzerrt sich und durchfließt ihr Inneres, die bunten Lichter der Erinnerung malen imposante Bilder von damals die sie längst vergessen hatte. Wenn sie ihre Augen öffnen würde, wäre da nur noch belanglose Farblosigkeit. Warum sind all die Lichter über die Jahre erloschen? Die Farben und Gerüche? Das standhafte Gerüst ihrer Erkenntnis? All die Wahrheiten die sie sich über die ganzen Jahre aufgebaut hat? Nichts davon ist mehr Wirklichkeit, nur noch blasse Lautlosigkeit ist übrig. Sie fragt sich, ob Krankheit ihren Körper mit Gift verseucht hat und sie deswegen auserstande ist wieder sie selbst zu sein.

Sie versucht sich zu konzentrieren und erkennt den Umriss eines alten Wohnhauses an dem sie immer gerne vorbei gegangen ist. Hier war immer der romantische kleine Garten mit den wilden Kräutern und Pflanzen, es lag der Duft von Minze immer in der Luft der ihre Nase leicht kitzelte.
Doch irgendwas ist anders, wo ist das warme Gefühl hin? Das Haus sieht mit der Brille der Ernüchterung aus wie aus einer anderen Epoche, irgendwie fehl am Platz. Die Fassade wurde von den Tränen des Himmels stark angekratzt, so als ob dieser sein bedauern für die vergangene Zeit ausdrücken wollte. Vielleicht müssen Häuser wie dieses einfach weg. Dem Mädchen geht es ähnlich, sie fühlt sich einfach fehl am Platz. Was war der Sinn dieses Hauses und welchen Sinn hat sie in ihrem Leben? Sie versucht sich zu erinnern, doch es fällt ihr keine brauchbare Antwort ein. Wie ferngesteuert bewegen sich ihre Beine nun doch weiter.
Was kann sie tun ?

Langsam und allmählich verdrängen Lichter die Finsternis, welche sich langsam auf die Stadt zu legen droht. Wie lange stand sie wohl da? Es kam ihr vor wie Minuten, aber es scheint doch mehr Zeit vergangen zu sein, so kalt wie ihre Glieder sich anfühlen. Wenigstens etwas das sie noch fühlen kann. Diese fernen Geräusche die so viel Alltag ausdrücken sind nicht für ihre Ohren bestimmt, nur die Ruhe hat noch Gewicht und der immer größer werdende Drang zu beobachten, einfach zuschauen wie alles verfliegt. Seelenlose Gestalten ziehen an ihr vorbei, wo genau ist der Unterschied zu ihr? Verschiedene Fragen durchbrechen ihre Trägheit. Vielleicht sollten die Menschen wieder was sagen wenn sie miteinander reden und nicht irgendwelchen belanglosen Dreck von sich geben, was ist das für eine Frage: "Wie gehts dir?" Wie soll man darauf antworten? Was soll denn gehen....muss denn immer was gehen?...
"Was machst du?"...
Muss man denn immer was machen?...
Beobachten?...
Sie versucht das Verhalten der Menschen zu verstehen, doch was kann sie schon verstehen?
Wer ist sie denn?...
Und was kann sie als kleiner Mensch schon verstehen?...
Beobachten?...
Ruhe ist Stille?...und Stille ist Geborgenheit?...

Doch warum kann sie als Beobachterin sich selbst nicht sehen, warum fällt ihr der Blick auf sich selbst so schwer? Was kann sie tun, um sich selbst wahrzunehmen? Warum verschwimmt ihr Inneres über die Jahre hinweg immer mehr, was für ein Mensch war sie damals und wer ist sie jetzt und warum kann sie sich selbst nicht mehr im Spiegel betrachten ohne das sie in der Kälte steht und ihr warmer Regen über die Wagen fließt?
Was hat sich verändert?
Leuten ziehen an ihr vorbei und sie fragt sich, warum sie diese ziehen lässt ohne ein Lächeln. Alles wird taub oder war es schon immer taub und erst jetzt kann sie es wahrnehmen?
Wahrheit...die Suche nach Wahrheit...
Was soll sie glauben?...
Was kann sie sehen?...
Etwas machen?...
Beobachten?...
Am Ende kann ihr Niemand helfen.....
Also auch sie selbst nicht?...
Die Suche geht weiter...
Glück?...
Alles was davon geblieben ist, ist die Erinnerung an den weinenden Himmel und die sich spiegelnden Sonnenstrahlen welche den Horizont in bunte Bögen schmückten...

Freitag, 28. November 2014

Bullshit-Repellent

Es gibt so viele Vorstellungen, dass es manchmal schwer fällt, die Übersicht zu behalten. Es wird von Quanten-Teleportation, Theosophie, Raumzeit, Anthroposophie, Singularitäten oder Kausalität gesprochen. Doch woran kann ich jetzt genau erkennen, was glaubhaft ist und was nicht, wenn alles gleich aussieht? Das ist ein nicht auflösbares Problem. Und ich versuche, mich gerade sehr zurückzuhalten, damit ich aus dieser Liste nicht sofort die Auffassungen herausstreiche, die ich selbst für extrem fragwürdig halte. Wir bauen schnell ein System von Zusammenhängen auf und stützen diese Zusammenhänge mit den Auffassungen von Menschen, die sich intensiver damit beschäftigt haben. Unsere Vorstellungswelt wird davon beeinflusst, wem wir vertrauen und was wir daraufhin für richtig erachten.

Um diesem Problem entgegen zu wirken, entwickelte sich über die Zeit hinweg das wissenschaftliche System, das Glauben mit klar definierten Argumenten untermauert. Philosophen versuchen die Grundlagen der Welt zu entschlüsseln, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen: mit der Auswertung ihrer eigenen Wahrnehmung. Und daran hat sich grundsätzlich nicht viel geändert. Auch heutzutage nutzen Wissenschaftler Methoden, vielleicht genauere, und es werden Ergebnisse ausgewertet, vielleicht strukturierter. Doch grundsätzlich versuchen wir immer noch unsere eigene Vorstellungswelt mit den Argumenten zu stützen, die wir für akzeptabel halten.

Allerdings ist das ein riesiges Problem, weil ja davon ausgegangen wurde, dass die Wissenschaft es schafft, dass nicht einfach jede Theorie gleichbedeutend ist. Und jetzt beginnt Beeinflussung: Ich denke, dass die Naturwissenschaft das beste Mittel ist, um an die Welt heranzugehen und die Welt vollständig zu beschreiben, auch wenn es andere Herangehensweisen gibt. Ich denke jedoch auch, dass es keine ausgereifte Möglichkeit gibt, andere von den Argumenten der Naturwissenschaft zu überzeugen. Und das ist mein eigentliches Problem.

Denn was nützen die offensichtlichsten Errungenschaften wie Internet, Computer, Flugzeuge, Elektrizität oder Medizin, wenn es darum geht, eigene Überzeugungen zu verteidigen? Und natürlich ist es polemisch von mir, das zu behaupten und anderen Argumentationen vorzuwerfen. Aber genau das ist ja auch das Problem der anderen Argumentationen. Es gibt keine Auffassung, die nicht angegriffen werden kann, weil unser Kopf eben für jedes X ein -X hervorruft. Ich spreche mich für Naturwissenschaften als universelle Beschreibung aus, weil sie meines Erachtens nach die beste Variante sind, gerade aufgrund ihrer Errungenschaften.

Aber darum geht es mir nicht. Ich möchte keine Lanze für die Naturwissenschaft brechen und hier eine klare Argumentation niederschreiben, die jegliche Einwände aufführt und entkräftet. Ich möchte vielmehr erst einmal erwähnen, wovon ich selbst überzeugt bin, damit ich an etwas anderes appellieren kann. Ich möchte Elemente ansprechen, die mir aufgefallen sind, als ich versucht habe, meine Auffassungen zu verteidigen und andere versucht haben, ihre zu verteidigen. Und in solchen Situationen werden gern autoritäre Prinzipien herangezogen, die die Argumentation in eine Richtung lenken, die sie überflüssig machen. Und ich möchte verständlich machen, dass ich die Nützlichkeit dieser Methoden, dieser Bullshit-Repellentien, zwar für den pragmatischen Rhetoriker nachvollziehen kann, sie aber dennoch grundsätzlich ablehne, weil ich denke, dass sie, wenn es um Anregungen des eigenen Denkens geht, niemandem etwas bringen.

Noch einmal kurz etwas zu dem Begriff "Bullshit-Repellent". Ein Repellent ist ein Wirkstoff, um etwas, in diesem Fall Bullshit (nicht faktenbasiertes Wissen), abzuwehren. In meiner konkreten Verwendung geht es um Methoden, die zu dem Zweck geäußert werden, die eigene Position zu verstärken, weil man denkt, man würde sich auf ein allgemeineres Prinzip berufen. Jedoch lässt man möglicherweise außer Acht, dass dieses Prinzip ebenfalls angezweifelt werden kann, was wiederum dazu führt, dass die Diskussion eher nur an Komplexität gewinnt, ohne dass ein Mehrwert für die Diskussionspartner entsteht. Das bedeutet nicht, dass diese Methoden nicht ihren Anwendungsbereich haben, wenn es darum geht, eine ausgeschöpfte Diskussion zu erweitern, eine andere Perspektive heranzuführen oder böser formuliert: andere Menschen an die Wand zu argumentieren. Sie sollten allerdings vermieden werden, wenn es darum geht, überhaupt erst einmal ein Feld der Argumente abzustecken.

Logik: Ich halte die komplexere, philosophische Logik für überschätzt, weil sie den Anspruch erhebt, Wahrheit zu entschlüsseln, aber selbst keinen Inhalt besitzt. Es wird davon ausgegangen, dass Argumente oder Prämissen klar von anderen Argumenten oder aber auch von Konklusionen getrennt werden können. Oder aber dass überhaupt eine Kausalität zwischen Prämisse, Argument und Konklusion existiert. Ein logisches Schlussfolgern und eine logische Analyse sind meines Erachtens hilfreich, um einen Überblick zu erhalten und einen Text klarer zu strukturieren, aber helfen nicht dabei, irgendetwas grundsätzlich auszuschließen oder zu bestätigen, weil nur darauf gewartet wird, dass eine sprachlich ausgefeilte Prämisse mit einer speziellen Zusammenstellung von Begriffen den Zusammenhang schafft, der zur Überzeugung notwendig ist.

Ockhams Rasiermesser: Die einfachste Variante soll bevorzugt werden, wenn gleichwertige komplexere vorhanden sind. Es gibt keine gleichwertigen Vorstellungen. Möglicherweise gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Theorien innerhalb der Beschreibungen. Allerdings führen andere Begriffe immer zu einem anderen Verständnis, egal als wie klein und unscheinbar es sich darstellt. Auch ist nicht geklärt, was die einfachste Variante ist. Ist die einfachste Variante, die die am besten die Wirklichkeit beschreibt und am verständlichsten ist? Nun, Verständlichkeit ist ein gesellschaftliches Problem, das von verschiedenen Faktoren abhängt. Zeit, Umgang mit anderen Menschen, kultureller Einfluss durch Medien, Interessen. Alles beeinflusst, ob ich etwas besser verstehe oder nicht. Und wer bestimmt eigentlich, was die Wirklichkeit am besten beschreibt? Sind die einfachsten Varianten unter gleichwertig komplexeren die besten Beschreibungen? Gott hat es getan, ist einfacher verständlich und unter vielen Bedingungen für viele Menschen gleichwertig zu komplexeren Herangehensweisen, und damit scheinbar besser als die Vorstellung, dass irgendwelche Naturkräfte komplizierte Regeln haben, die anscheinend irgendetwas anderes auslösen.

Prinzip der wohlwollenden Interpretation: Ich halte diese Methode für unglaublich wichtig und dennoch gehe ich davon aus, dass sie einen grundsätzlichen Fehler besitzt. Was hier in große Worte geschmückt wird, ist die Toleranz für das, was andere Menschen machen. Es geht darum, eben nicht sofort "Bullshit" zu rufen, wenn jemand argumentiert, sondern ihn aussprechen zu lassen und ihm dann, wenn es nötig ist, zu widersprechen. Es geht darum, Schlüssigkeit von Wahrheit zu trennen, weil Wahrheit eben verschiedene Perspektiven hat und durch unterschiedliche Herangehensweisen erreicht werden kann. Doch das Prinzip der wohlwollenden Interpretation beinhaltet auch den faden Beigeschmack von: Ich muss widersprechen. Ich warte nur bis zum Ende, bevor ich damit loslege. Vielleicht lasse ich mich auch einfach überzeugen, vielleicht versetzt mich der Gedanke, dass ich etwas wohlwollend ertragen muss, erst in den Zustand, dass ich es ertragen muss. Das muss aber auch nicht sein, vielleicht hilft es bereits, sofort "Bullshit" zu rufen, weil die Argumentation nicht aufhört und immer komplexer wird und man den Anfang bereits wieder vergessen hat. Und vielleicht versteht man es dadurch viel besser, weil derjenige umdenken muss.

Fazit: "Bullshit". Ist es gut, zu hinterfragen oder ist es gut, sich überzeugen zu lassen? Ich kann keine gute Antwort darauf geben, weil jeder beides tut. Manchmal werde ich überzeugt und hinterfrage nicht, manchmal hinterfrage ich und werde nicht überzeugt. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es generell nicht möglich ist, eine überzeugende Antwort für jeden zu finden. Möglicherweise ist dieser Beitrag auch nur ein Versuch, andere vollkommen zu verwirren, ihre Prinzipien hinterfragen zu lassen und dadurch zu neuen Prinzipien zu bringen, die ich für ausgereifter halte. Ich weiß es nicht. Ich schreibe darüber, weil es mich gerade fasziniert, dass egal wie ausgereift Prinzipien erscheinen mögen, sie niemals wirklich für alle ausgereift, verständlich oder gut sein müssen.

Ich habe meine Prinzipien im Hinterfragen und im Einfühlen. Sie entsprechen in weiten Teilen der wohlwollenden Interpretation und Ockhams Rasiermesser. Toleranz, Verständlichkeit, Geschlossenheit, ..., all diese positiven Substantive, die man so kennt. Und doch ist da wieder Unsicherheit. Und diese Unsicherheit, dieses Gefühl, etwas nicht wissen zu können, ist es, das mich dazu bringt, noch mehr darüber nachzudenken. Ich weiß nur nicht, ob ich anderen, die nicht unsicher sind, vorwerfen sollte, dass sie ohne Unsicherheit keine Eigenständigkeit entwickeln können, weil eine gedankliche Sicherheit eben nur ein Konstrukt autoritärer Einflussnahme ist und sie damit eingestehen, dass sie eher den Wünschen anderer entsprechen wollen. Aber selbst das ist fraglich, weil sich ab diesem Moment die Wünsche anderer nicht mehr von den eigenen trennen lassen.

Dienstag, 18. November 2014

Wollt ihr wissen was Liebe ist? (II)

Dann schaut euch Cyrus an. John wird von seiner Ex-Frau mit auf eine Party geschleppt. Er hat die Trennung, die mittlerweile 7 Jahre her ist, nicht gut vertragen und das seine Ex-Frau erneut heiraten wird, hilft nicht gerade dabei, dass sich seine Stimmung bessert. Auf der Feier fühlt er sich nicht wohl, betrinkt sich und es will ihm nicht so recht gelingen Kontakt zu den anderen Singles dort aufzunehmen. John hat eigentlich schon mit diesem Abend aufgegeben, da lernt er beim Pinkeln im Garten, die bezaubernde Molly (ich bin ja selbst ein bisschen dolle in die Darstellerin Marisa Tomei verknallt) und sie scheint weder ein Problem mit seinem Alkohollevel, noch mit seinen ehrlichen Selbstzweifeln zu haben. Und während sie noch miteinander Rumflirten schreckt John auf. Auf der Party läuft gerade Don´t you want me von Human League. John lässt sie zurück und rennt auf die Tanzfläche. Euphorisch springt er herum, singt mit und versucht den Rest der Gäste zum Tanzen zu animieren. Aber keiner weiß so recht was mit John anzufangen. Er verzweifelt zusehends. Molly ist ihm mittlerweile ins Haus gefolgt und hat sich das Spektakel angesehen. Und als sie diesen riesigen singenden Typen da rumhüpfen sieht, da verliebt sie sich in ihn. Gerade als der Part der Sängerin einsetzt, kommt sie zu ihm und singt mit. Wenig später kommen seine Ex-Frau, ihr zukünftiger Ehemann und weitere Gäste hinzu.
Das ist Liebe.


Dienstag, 4. November 2014

Geisteswissenschaften, wohin soll das führen?

Ich bin der Auffassung, dass sich jede Wissenschaft die Frage nach ihrer Nützlichkeit stellen muss, weil die Wissenschaft nicht losgelöst vom Menschen betrachtet werden kann. Wenn Menschen also Wissenschaften betreiben, dann machen sie das immer auch unter dem Aspekt, dass sie menschliche Belange zufriedenstellen wollen; auch wenn Bedürfnisse wie beispielsweise Neugier oder Wahrheitsstreben ebenfalls wieder abstrakt ausfallen können.

Wenn ich jedoch von der Nützlichkeitsfrage spreche, dann möchte ich nicht nur, dass sich Wissenschaftler mit ihren persönlichen Zielen auseinandersetzen. Nützlichkeit beschreibt in diesem Zusammenhang den konkreten Grund für ihre Tätigkeit. Ich möchte auch, dass sie sich die Frage stellen, inwiefern ihre Forschung einen Einfluss auf den Alltag von anderen Menschen haben kann.

Geisteswissenschaften tendieren dazu, diese Frage in den Hintergrund zu schieben, weil sie die Nützlichkeit nicht als konkrete Kategorie ihrer Wissenschaftsbestrebungen begreifen. Für sie ist die Wahrheit und das Wahrheitsstreben im Vordergrund. Mit jeder Interpretation und jeder Analyse soll ein Stück Realität ausgegraben werden, das sich in unserem Alltag oder in unserer Vergangenheit verborgen hält.

Bevor ich jedoch meine Kritik daran äußere, möchte ich Wahrheit als Begriff näher betrachten. Wahrheit bezeichnet das, was wirklich passiert und passiert ist. Es geht darum, eine vollständige Vorstellung von unserem Umfeld zu erhalten. Gleichzeitig ergibt sich daraus auch eine der wichtigsten Funktionen von Wahrheit: Wir gehen davon aus, dass wir durch die Wahrheit bessere Entscheidungen treffen können, weil wir alle Aspekte einer Sache bei unserem Entscheidungsprozess miteinbeziehen können.

Niemand geht aber davon aus, dass Wahrheit wirklich erreicht werden kann. Wenn wir von einer Suche nach Wahrheit sprechen, dann wird diese Unerreichbarkeit immer mitgedacht. Die Wahrheitssuche hat sich allerdings dennoch zum Ziel gesetzt, unter diesen widrigen Bedingungen eine Vorstellung von der Welt zu entwickeln, die möglichst wahrscheinlich ist und anderen dabei helfen kann, zu verstehen, was wirklich geschieht und geschehen ist.

Ich möchte aufzeigen, dass die Suche nach Wahrheit nur unter dem Aspekt der Nützlichkeit eine Relevanz für die Gesellschaft besitzt. Die Suche nach Wahrheit kann deshalb meiner Ansicht nach nicht aus sich selbst heraus als Grund für Wissenschaftsbestrebungen herangezogen werden. Weiterhin schließe ich Naturwissenschaften bei dieser Kritik aus, da sie über ihre Methoden die angebliche Wahrheit ohne zu zögern durch neue Erkenntnisse ersetzen können. Nun aber zu den Argumenten.

Erstens: (Realität wird von Menschen unterschiedlich aufgefasst. Menschliche Werke können deshalb nicht als Grundlage für Wahrheit dienen. Und sie können deshalb auch nicht gut ausgewertet werden.) Im Englischen auch als narrative bias diskutiert, beschreibt dieses Phänomen unsere Tendenz dazu, für alles einen Grund finden zu wollen, um damit eine nachvollziehbare Geschichte für unsere Umwelt zu gestalten. Wenn wir aber davon ausgehen, dass wir alle nicht dieselben Erfahrungen machen und demnach bisher bereits eine unterschiedliche Vorstellung von der Wirklichkeit haben, dann führt das ebenfalls dazu, dass wir die vorgeblichen Fakten, die uns in Form von Quellen und gesichertem Wissen vorliegen, unterschiedlich betrachten.

Zweitens: (Wahrheit hat ein Übersetzungsproblem.) An die Schwierigkeit Quellen unabhängig von unserer Persönlichkeit zu betrachten, schließt sich an, dass wir auch die Wörter selbst nicht vollständig verstehen können. Sie wurden nicht nur in einem anderen kulturellen Zusammenhang geschrieben, sondern jeder Mensch hat durch seine Erfahrungen trotz seines Allgemeinwissens (Was ist gemeint, wenn ich von einem "Stuhl" spreche) auch andere Vorstellungen von Wörtern (Wenn ich das Wort "Stuhl" höre, wie geht es mir? Achte ich überhaupt auf mich, wenn ich das Wort höre?), die Einfluss auf unser Verständnis eines bestimmten Wortschatzes haben. Möglicherweise gehen wir auch davon aus, dass sie uns zugänglich sind, weil wir ihre Benutzung kennen oder ihre Benutzung erforscht wurde, aber diese Wortforschung unterliegt denselben Beschränkungen, wie die Suche nach der Bedeutung des gesamten Textes.

Drittens: (Wenn Wahrheit eingegrenzt wird, dann soll sie eine Funktion ausüben, die allerdings durch bestimmte Vorstellungen geprägt ist.) Wenn die Suche nach Wahrheit Informationen über eine bestimmte Zeit herausgefunden hat, dann besteht die Frage danach, wie diese Informationen bewertet werden sollen. Je nachdem welche Informationen miteinbezogen und welche vernachlässigt werden, entsteht dadurch ein bestimmter Blick auf eine Zeit. Diese Teilwahrheit kann gut belegt sein, aber gibt nur noch eine Tendenz an. Weiterhin kann durch neue Informationen wie neue Quellen die Teilwahrheit relativiert werden.

Viertens: (Teilwahrheiten sind keine gute Grundlage für eine Gesellschaft.) Teilwahrheiten sind unsere einzige Möglichkeit, die Geschichte zu betrachten. Das bedeutet: Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, müssen wir unsere Gesellschaft und unser Verhalten mit einer Vergangenheit vergleichen, die erstens nicht mehr existiert und zweitens so wie dargestellt, niemals existiert haben muss. - Ich möchte mit diesem Argument keinem Geschichtsrevisionismus Vorschub leisten. Geschichtsforschung ist wichtig und hat ihre Methoden, um der Wahrheit näher zu kommen. Ich möchte jedoch darauf aufmerksam machen, dass die Wahrheit keine einfach zu bestimmende Konstante ist.

Fazit: Die Wahrheit und die Suche nach Wahrheit erscheinen mir als vorgeschobene Gründe, um eine eigene Ideologie in Form von Teilwahrheiten umzusetzen. Diese Ideologie muss keine negativen Auswirkungen haben, aber sie wird in Diskussionen meist vernachlässigt, um möglicherweise Macht auszuüben. Aus diesem Grund halte ich es für fragwürdig, wenn sich Geisteswissenschaften der Frage nach der Nützlichkeit entziehen und vorgeben, Wahrheit zu entziffern.

Dienstag, 28. Oktober 2014

Ich kann nicht gut schreiben

So. Sprechen wir mal über etwas, das mich schon seit längerer Zeit an mir selbst aufregt, aber über das ich nicht wirklich gern rede. Und zwar kann ich nicht schreiben. Also natürlich kann ich Dinge aufschreiben, die manchmal auch einen gewissen Zusammenhang haben und auch einige Aspekte einer bestimmten Thematik ansprechen. Das was mir allerdings wirklich zu schaffen macht, ist eine fehlende Leichtfüßigkeit, ein Stil, der sowohl Prägnanz als auch Verständlichkeit mit sich führt, aber trotzdem nicht in der Belanglosigkeit untergeht. Und bisher scheitere ich daran immer wieder.

Dabei erscheint es mir so einfach, über ein bestimmtes Thema zu schreiben. Mich interessiert etwas, ich schreibe ein paar Gedanken dazu auf, erarbeite mir eine grobe Struktur von meinen Ideen, suche mir ein paar nette Beispiele und schreibe das Ganze in einer enthusiastischen, etwas übertriebenen Art auf, um einen klaren Ton vorzugeben. Und doch kommt am Ende meist sehr viel Geschwurbel heraus, das relativ selten das trifft, was mir am Herzen liegt.

Denn ich weiß sehr viel mehr über das Thema, als ich in den Zeilen dieser meist essayistisch angehauchten Artikel niederschreibe. Und manchmal bemerke ich schon, während ich die Struktur des Artikels festlege, dass möglicherweise mehr erforderlich ist, als nur ein kurzer Gedankenauszug. Doch gleichzeitig sehe ich mich unter dem Druck, einen Artikel zu schreiben, der eben nicht unüberschaubar wird, aber dennoch versucht, etwas Originelles anzusprechen.

Und was soll ich sagen? Ich scheitere daran. Ich kann nicht gut schreiben. Jedenfalls nicht über etwas, das auf vielfältige Weise betrachtet werden kann. Ich scheitere daran, diese interessanten Ideen in mäßig umfangreicher Art aufzuschreiben, weil ich entweder dazu tendiere, kurze treffende Formulierungen zu wählen, aber den Umfang der Problemstellung zu ignorieren und dann unzufrieden darüber bin, dass ich ein Thema nur halbherzig besprochen habe, oder aber viel zu ausschweifend werde und endlos lange Artikel verfasse, die ein großes Maß an Aufmerksamkeit einfordern, während ich gleichzeitig aber in einem sehr emotionalen Stil schreibe, der zu dieser Form nicht mehr passt.

Gefühlvoll und spannend zu schreiben, dennoch aber den Kern der eigenen Mitteilung zu erfassen, ist eine schwierige Aufgabe für mich. Nehmen wir doch einfach mal diesen Beitrag als Beispiel. Bis hierhin habe ich versucht, meinem Gefühl Ausdruck zu verleihen. Es stört mich, dass ich es nicht schaffe, eine ordentliche Dramaturgie in meine Texte hineinzubringen. Doch ab jetzt wollte ich damit anfangen, mich zu therapieren und mir Hinweise zu geben, wie ich in Zukunft damit umgehen werde. Doch jetzt sehe ich gedanklich davon ab und schreibe lieber darüber, warum das keine gute Idee von mir gewesen ist.

Für mich selbst ist es möglicherweise sinnvoll, dass ich versuche, mir zu helfen. Stilistisch gesehen handelt es sich aber um einen Bruch des Textes, der dazu führt, dass aus einer Gefühlsbeschreibung heraus plötzlich eine Handlungsanweisung für das richtige Schreiben entsteht. Dieser Bruch erschwert das Verständnis des Textes, weil der Funktionswechsel zu radikal stattfindet. Der Leser befindet sich möglicherweise noch in einer Form des Mitfühlens und wird dann sofort in Richtung Kritiker der Hilfsleistungen getrieben.

Und das ist nicht cool, weil er plötzlich mit einer anderen Erwartung konfrontiert wird und dadurch weniger Lust hat, weiter zu lesen. Deshalb mache ich das jetzt auch nicht unbedingt besser, indem ich "deshalb" schreibe oder mit Metakommunikation versuche, der unangenehmen Rollenverschiebung entgegenzuwirken. Aber dennoch muss ich irgendwann in irgendeiner Form dazu überleiten, etwas Sinnvolles für mich aus diesem Gefühlswirrwarr herauszuholen.

Vielleicht ist diese Form des Gedankenstroms zielführender als klar definierte Bereiche, vielleicht sind kurze, klar formulierte Gefühlsäußerungen eine gute Variante, ein Ziel zu finden. Vielleicht ist das "vielleicht" auch eine gute Form nicht eine Lösung für mich endgültig zu definieren, sondern den Leser zu ermutigen, selbst Überlegungen anzustellen und die Problematik nicht damit abzuschließen, dass eine klare Lösung (für mich) bereits gefunden wurde.

Gutes Schreiben und ein guter Text müssen sich für mich gut anfühlen. Das ist das einzige, was ich deutlich sagen kann. Was es allerdings bedeutet, wenn ich von gutem Schreiben spreche, das weiß ich nicht. Und ich merke schon, dass ich wieder Absatz für Absatz schreibe und ein Gefühl von einem Ende aufbauen will. Aber möglicherweise gibt es keine guten Enden. Möglicherweise sind Enden eine Illusion von Abgeschlossenheit, weil ich ja weiter denke und ich euch nur ein gutes Gefühl vermitteln möchte, eben dass doch noch alles gut geworden ist. Ihr entscheidet.

Sonntag, 26. Oktober 2014

Und dann sind wir allein

Sterblichkeit ist für mich nur noch selten ein Thema, weil sie mir kaum etwas anbieten kann, worüber ich nicht bereits nachgedacht hätte. Ich habe sie psychologisch und philosophisch eingeordnet, ich habe sie filmisch emotional mehrfach für mich selbst reflektiert, und ich habe bereits mehrere Nahtoderfahrungen hinter mich gebracht, die mir einen fundamentalen Eindruck von Angst vermittelt haben. Zurzeit bewegt sie mich einfach eher weniger. Dabei geht es mir gar nicht darum, die Bedeutsamkeit des Todes für unser Denken herunterzuspielen. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass mir das Nachdenken über diese Unausweichlichkeit keinen Mehrwert mehr bietet.

Dennoch gelangen hin und wieder Themen in mein Bewusstsein, die sich mit den Folgen des Todes auseinandersetzen, was nachvollziehbar ist, wenn man bedenkt, dass der Tod ein unabänderlicher Fakt und einen schwerwiegenden Einschnitt darstellt. Der Tod ist das Urübel jeglicher Beziehung, weil er eine Auseinandersetzung zwischen den Individuen verunmöglicht. Er ist aber auch die Zerstörung jeglicher funktionierender sozialer Ordnung, wenn Freundschaften beispielsweise an Schuldfragen über einen möglicherweise vermeidbaren Verlust zerschellen.

Ich möchte jedoch eine andere, weniger im Vordergrund befindliche Folge untersuchen. Ich möchte verstehen, was es bedeutet, alt und allein zu sein. Wie fühlt man sich, wenn bereits ein Großteil der Freundschaften durch den Tod zerrissen wurden? Und jedes Jahr weitere über Jahrzehnte entstandene Bindungen aufgelöst werden? Bis man zum Schluss nur noch allein zurückbleibt.

Unsere Gesellschaft tabuisiert die Gefühle, die aus dem Alleinsein im Alter entstehen, weil das Leben keinen Platz für eine sterbende Generation einräumt. Sterblichkeit ist ein Makel, den die Jugend ignoriert, die Erwachsenen verdrängen, die Alten aber mit jedem Jahr und jedem Freund mehr hinnehmen müssen. Wer eine Familie besitzt, weiß sich möglicherweise geborgen, solange er dieser nicht die Zeit raubt. Wer jedoch im Leben mit seinen Freunden Erfüllung gefunden hat, muss sich die Frage stellen, wie er mit dem Ende umgeht, wenn er nicht zu denjenigen gehört, die als erstes sterben.

Der Tod eines wichtigen Menschen gehört dabei zu den schwierigsten Erlebnissen im Leben eines Menschen, für mich persönlich ist er das schwierigste Erlebnis. Zu wissen, dass die Eigenheiten für immer verloren sind, dass der Mensch, der dich zum Lachen gebracht hat, zum Weinen, der deine Geheimnisse für sich behalten und mit Rat zur Seite gestanden hat, sich nie wieder auf deinen Unsinn einlassen wird, das ist zu viel für eine unvorbereitete Psyche.

Ein Menschenleben ist so verdammt kurz. Heute sehen wir uns noch als diese Kinder von damals, die in den 1990ern mit dem Gameboy oder mit Lego oder mit Puppen gespielt haben, morgen sind wir bereits aus dem Studium raus und übermorgen befinden wir uns schon an der Grenze zum Ruhestand. Und natürlich werden wir noch hart getroffen werden, sehr hart. Härter als uns das lieb ist. Unsere Großeltern sterben weg, unsere Eltern, unsere Freunde, unsere Partner und dann wir selbst. Wenn wir Pech haben, werden wir uns in der Zwischenzeit mit der Frage quälen, warum wir all diese Zeit überleben, während die anderen alle sterben müssen. Wenn wir Glück haben, leben wir einfach und genießen jeden Augenblick, den wir mit der Vielzahl der Menschen, die uns umgeben, teilen können.

Montag, 29. September 2014

Ich habe Jan Böhmermann singen gehört und am Ende habe ich geweint

Julius hat einen Text über den Gott der Medienkritik geschrieben! Und wir hören zu! Alle jetzt.


Menschen die Internet haben, kennen das: Jemand schickt dir einen Link für ein Video. Kommentarlos, lediglich ein Smiley verziert die kryptische Buchstabenkette. Du musst schon draufklicken, um herauszufinden, was dein „Kumpel“ so witzig findet. Das kann von einem würgreiz-erzeugenden, niedlichen Katzenbaby bis zu einem sympathischen Psychopathen, der sich genüsslich ein leicht zerbrechliches Gurkenglas rektal einführt, so ziemlich alles sein. Wenn dein Umfeld jedoch zum größten Teil aus Studenten und Medienfuzzis besteht, deren Kampfruf „Political Correctness JETZT“ ist, ist die Chance ungemein höher, dass du den neusten Clip eines gewissen Jan Böhmerman sehen darfst. Ja genau, der dusslig-quatschende Side-Kick von Harald Schmidt! Der zusammen mit Charlotte Roche eine Talk-Sendung in den Sand setzte, dann den Grimme Preis für sein despotisch geführtes Neo Magazin ergaunerte, seit über zwei Jahren jeden Sonntag mit Olli Schulz eine Radiosendung hat und mittlerweile bundesweit Hörer von sieben Sendern ihr Radio für zwei Stunden ausschalten lässt.
Jetzt aber mal ehrlich, der Typ ist ziemlich genial. Das weiß jeder, der sich das letze Jahr nicht grenzdebil sabbernd vor die Glotze gesetzt hat, um RTL zu gucken. Verdammt, selbst dann hast du den Typen gesehen. Zwar nur zweimal, aber immerhin: Böhmermann ist überall. Unter dem alles abschirmenden Mantel der Ironie redet der geborene Bremen-Vegesacker mit schnalzender Tourette-Zunge in nicht enden wollenden Sätzen und erobert so die Herzen der selbsternannten Intellektuellen. Immer dann, wenn er seine Kunst, aus dem Nichts einen unterhaltsamen Redeschwall zu generieren, mit Musik verbindet, scharren 300 spartanische Krieger missmütig mit den Füßen, weil ihnen die Epicness-Keule aus den Händen gerissen wurde. Derjenige, der bei der „Hymne auf die 90er“ keine Gänsehaut hatte, soll den ersten Stein werfen. Auf seine Eltern, weil da bei der Erziehung etwas verflucht falsch gelaufen ist.
Um dem Lassi-trinkenden ZDF Neo-Publikum mitzuteilen, dass die Sommerpause vorbei und seine Show wieder da ist, hätte ein kurzer, aber informativer 10-Sekünder gereicht. Aber nicht doch mit einem Grimmepreisträger, einem Nominierten des Deutschen Fernsehpreises, nicht doch mit Jan Böhmermann! Er nutzt den Aufwind seines Ruhmes, um ein dreieinhalb Minuten langes Musikvideo zu drehen und einen Song darüber zu schreiben, dass er endlich zurück ist. So wie Tokio Hotel. Während die glibberige Performance der Kaulitzer hoffnungslos unbeachtet nach monsunartigen Tränengüssen giert und dabei junge Frauen schaudernd an ihre Teeniezeit erinnern lässt, macht Meta-Böhmermann einfach alles richtig: Ein witziger Text, stilsicher kopierte Bilder und ein Sinn für clevere Details. Allerdings würde die Parodie niemals so gut funktionieren, wenn er nicht über eine überraschend gute Gesangsstimme verfügen würde. Denn selbst wenn der Text es inhaltlich mit den Zehn Geboten aufnehmen könnte, will niemand über drei Minuten jaulendes Gejaule hören.
Musik mit komödiantischen Inhalten zu verbinden, ist ganz sicher keine besonders originelle Idee. Frag mal Otto Walkes. Leider sind eben nur sehr wenige Künstler feinfühlig genug, sowohl einen guten Song aufzunehmen, als auch die stimmige Menge an Humor einfließen zu lassen. Frag mal Otto Walkes. Böhmermann gelingt das mal eben mit einem Einspieler im Musikvideo-Gewand. In Zeiten, in denen wir ein YouTube-Video nach kurzer Zeit aufmerksamsdefizitär wegzuklicken, weil es eben auch so viel Scheiße gibt, ist eine solche Kunst pures Gold.
Jawohl, Böhmermann ist zurück und wird uns wieder glänzend auf dem Spartensender unterhalten. Oder eher auf YouTube, weil uns wieder jemand einen Link mit einem Smiley schickt.

Donnerstag, 18. September 2014

Grenzenlos

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, in einer größeren Wohnung zu leben? Oder in einem größeren Haus? Habt ihr darüber nachgedacht, dass es eigentlich ganz cool wäre, wenn die Eisenbahn nicht jeden Tag am Balkon vorbeifahren würde, oder dass der Kinderspielplatz ruhig noch einen Block hätte weiter hinten sein können? Nein, dann gehört ihr zu den glücklichen Menschen, die ein Zuhause gefunden haben, mit dem sie möglicherweise zufrieden sind. Aber was bedeutet das überhaupt?

In unserem Alltag sind wir meist sehr stark darauf konzentriert, Probleme und Bedürfnisse wahrzunehmen, die uns direkt berühren. Wenn wir Hunger haben, dann essen wir etwas. Wenn wir Schmerzen spüren, dann versuchen wir sie loszuwerden. Meist vergessen wir aber, dass wir keine allumfassende Wahrnehmung besitzen und wir deshalb auch nicht immer alles erkennen können, was uns vielleicht stört. Diese unbewussten Störungen sind es, die uns mehr prägen, als uns das vielleicht lieb ist, weil unser Bewusstsein sie nicht in die Finger bekommt und wir deshalb in ihrer Gegenwart automatisch handeln, anstatt darüber nachzudenken.

Schließen wir die Fenster, wenn uns die Kinder auf dem Spielplatz stören, dann überlegen wir vielleicht nicht, wie wir das Problem in Zukunft vermeiden wollen, sondern wir nehmen es hin, weil unser Bewusstsein dieses Erlebnis nicht als etwas Dramatisches ansieht. Wenn wir allerdings darüber nachdenken, ob uns die Wohnung gefällt, bleibt dieses Gefühl von Unruhe erhalten und wir können nicht ganz einschätzen, woher unser Unbehagen kommt, weil unsere Wahrnehmung den Lärm gar nicht als etwas Problematisches an uns herangetragen hat.

Wir bekommen ein Gefühl von unserer Wohnung, das uns in unserem Inneren verfolgt. Manchmal wird es uns schleierhaft bewusst, wenn wir nach Hause kommen und uns trotzdem nicht beruhigen können. Manchmal werden wir von anderen darauf angesprochen, weil wir selbst die Unruhe bereits durch unsere tägliche Konfrontation ausgeblendet haben. Doch das eigentliche Problem ist nicht, dass uns diese Störfaktoren nicht sofort bewusst werden, sondern dass sie über die Zeit hinweg zu einem Bestandteil unserer Persönlichkeit werden. Wir passen uns an. Wir leben mit diesen Problemen, weil sie uns nicht auffallen. Und irgendwann sind wir selbst diese Probleme.

Ich sehe Wohnungen als erweiterten Teil der Persönlichkeit. Und als Menschen sind wir anfällig gegenüber den Einflüssen unserer Umgebung. Wenn uns etwas an unserem Wohnort stört, werden wir es verändern oder es wird uns verändern. Daraus ergeben sich für mich beispielsweise auch Fragen wie diese: Wenn unsere Wohnungen größer sind, macht es uns etwas aus, längere Wege zurückzulegen? Wenn wir im Dachgeschoss wohnen und schräge Wände haben, beeinflusst das unsere Vorstellung von Ordnung und Ruhe?

Dadurch dass wir unsere Umgebung in den meisten Fällen nicht so gestalten können, wie wir es gern hätten, tragen wir meiner Ansicht nach immer einen Konflikt mit uns selbst aus. Und dieser Konflikt bestimmt letztendlich darüber, was wir für eine Person sein werden. Das Interessante daran ist aber: Dieser Konflikt muss uns nicht einmal bewusst sein. Er belastet möglicherweise unseren Alltag. Und wir bemerken ihn nur in diesen kleinen Gefühlsregungen, wenn wir wieder einmal das Fenster schließen, weil ein Zug vorbeifährt und wir vom Lärm betroffen sind.

Dienstag, 16. September 2014

Alternative für Schland

Scheiße genug, dass die AfD sich nun tatsächlich zu etablieren scheint. Wenn man dann auch noch mitbekommt dass tatsächlich Leute aus dem engen Bekanntenkreis die entsprechenden Neigungen haben, frage Ich mich wirklich wie das eigentlich passieren kann.
Ich meine, niemand würde sich selber als herzlos bezeichnen, oder Menschen, die  in anderen Ländern schlimmen Gefahren ausgeliefert sind wirklich einfach so sich selbst überlassen. Trotzdem kascht diese Partei die meisten Wähler tatsächlich mit Parolen zur Sicherheits- und Einwanderungspolitik. Und generell, das Schland sich sowieso eher raushalten soll aus der Welt und Wir unser eigenes Ding drehen sollten. Wie passt das zusammen? 

Ausländerkriminalität ist da so ein Schlagwort, man will zwar selber nicht herzlos dastehen, aber die Menschen reinholen nur damit sie uns ausrauben, will auch keiner. Dabei ist das ja nicht mal so. Trotzdem gibt es natürlich die Statistiken die belegen, dass von Immigranten ein höheres Straftatenpotential ausgeht, als von den richtigen DEUTSCHEN. Wenn man da aber mal Ursachenforschung betreibt, liegt das nicht daran dass die Menschen aus anderen Ländern einfach ein Kriminalitätsgen inne haben, sondern wie man mit den hier angekommenen Menschen schon jahrzehntelange umgeht.
Angefangen mit den Türken, die uns unseren heutigen Wohlstand überhaupt erst ermöglicht haben durch ihren Willen die freien Arbeitsstellen bei uns zu besetzen, die in den 70er Jahren im Zuge des Wirtschaftswunders freiwurden. Ohne diese „Entwicklungshelfer“ wären wir Wohlstandstechnisch heute wohl ganz woanders angesiedelt. Aber damals war man schon egoistisch und blind genug diese Menschen tatsächlich nur in ihrer Arbeitskraft zu benutzen und sie sonst möglichst zu separieren.

Samstag, 13. September 2014

The Vault

Ich bin eigentlich nie ein großer Fan von diesen Webserien gewesen. Okay, okay, ich geb ja zu ich hab auch ein paar Staffeln von The Guild gesehen, und auch The Legend of Neil (Die Schweine haben das für Deutschland mittlerweile gesperrt) hab ich sehr genoßen, aber diesen Machinma Sachen wie diese Halo Serie, hat mich nie interessiert. Sieht ja alles schick aus, aber irgendwie hab ich schon genug Serien, die ich schauen muss und Webserien stehen den großen Brüdern gerne mal ein bisschen nach in Schauspielerleistung und Co. Genug Gemecker. 
Ich habe vor ein paar Jahren eine Webserie dann doch mal in mein dunkles staubiges Herz gelassen. Es muss bei einer meiner nächtlichen Streifzüge im weltweiten Netz gewesen sein, als ich zufällig auf diese Videoreihe gestoßen bin. Lass es ruhig 2 Jahre her sein. Und erst wieder dieser Gedanke: "Gnaaa, wieder so eine über ambitionierte Webserie von irgendwelchen Studenten, die zuviel in Lostforen unterwegs waren." Aber dann gab ich ihr eine Chance und zack boom hatte alle ausgestrahlten Folgen in einer Sitzung durchgeschaut und ich wollte dran bleiben. Und anfangs kamen noch regelmäßig die neuen Episoden, doch plötzlich war da nichts mehr. Sehr lange. Und ich forschte nach und traf auf ihren Blog. Und da erklärten sie, warum die neuen Folgen auf sich warten liessen, neue Projekte, private Probleme, Probleme mit den Produzenten und ihren Vorstellungen. Also hab ich mich in Geduld geübt. Und alle paar Monate tröpfelte dann Folge nach Folge in mein Youtube-Abonnement rein.

Und gestern war sie dann da. Die Finalfolge. Das Ende. 30 Minuten lang. Und ich bin zwiegespalten. Ich bin nicht zufrieden mit dem Ende. Zuviele neue Fragen, die nicht beantwortet werden. Und eigentlich müsste ich jetzt voll enttäuscht sein. Diese Kackserie, der ich all die Jahre so vertraut habe, schafft es nicht am Ende mein Wunschende hinzubekommen. Aber ich bin nicht sauer. Ich gönne es ihr. Ein Ende. Ich hab auch schon gelesen, dasss die Macher mittlerweile an einem richtigen Filmprojekt dran sind. Und ich wünsche denen nur das Beste. Weil mir dieses Projekt ans Herz gewachsen ist. 

Ich will euch gar nicht erzählen, worum es in dieser Serie geht, das stückchenweise herausfinden ist hier Teil des Spasses. 

Also dann. Schaut euch The Vault an.

Dienstag, 9. September 2014

Zugfahrt

So, mein erster eigener Post. Ich habe lange überlegt, was ich schreiben soll. Erst wollte ich mich nur vorstellen, aber da sich (vermutlich) nur Leute hier tummeln werden, die mich eh schon kennen, lass ich das lieber sein. Also kramte ich in meiner Artikel-Schatzkiste. Ich entdeckte meine ersten Artikel. Der aller erste war eine Antwort auf ein Post von Henry von Oktober 2009 und wurde von Willi auf seinem Blog veröffentlicht.
Nur knapp zehn Tage später schrieb ich meinen zweiten Text. Und den möchte ich jetzt hier selber veröffentlichen. Ich hoffe nur, ich komme hier mit dem Bloggen halbwegs klar. Meine Zeit beim Pokéwiki dürfte da sicherlich behilflich sein.



30.10.2009

Jedes Mal wenn ich im Zug sitze, überlege ich, was ich machen soll. Wenn der Zug 13.40Uhr (eigentlich immer) pünktlich losfährt, bin ich hoch motiviert, die Langeweile endlich zu besiegen.
Früh, wenn ich zur Uni gehe, öffne ich den Briefkasten, um zu gucken, was drin ist. Bis jetzt war jeden Freitag die “freitag SZ” drin. Das erste Mal habe ich mich tierisch gefreut, etwas zum Lesen im Zug zu haben. Schnell wurde mir aber klar, dass darin nur Geplänkel steht. Nicht einmal ein Rätsel gibt es darin. Heute gibt es einen Artikel zur steigenden Anzahl rechter Gewalt. Als ob das neu wäre. Vielleicht tue ich ihn mir aber trotzdem später an. Zur großen Überraschung lag heute in der Zeitung, neben der üblichen Möbelhaus-Werbung, auch eine MadiaMarkt-Werbung. Begeistert durchblätterte ich sie, freute mich über technische Neuheiten und ihren Preisen und bewunderte MediaMarkt’s Talent, immer wieder passende Promis für ihre Werbung zu finde. Obwohl ich Mario Barth’s Witze nicht unbedingt lustig finde, gibt er mir doch ein Zeichen, in dem richtigen Laden einkaufen zugehen. Alles in Allem hat das Lesen verschiedener Schriften nicht einmal annähernd solange gedauert, wie das Schreiben dieses Textes. 
Also, was nun? Erst einmal die Fahrscheine zeigen. Na klar, mach ich doch gerne. Angesichts der Tatsache, dass alle um mich rum irgendwelche uninteressanten Bücher lesen (wie zum Beispiel: “Eine schlesische Kindheit” von Maria Frisé), oder Musik hören, oder Gespräche führen, bei denen es sich nicht lohnt, mitzuhören, brauch ich erst gar nicht anzufangen, mich für die Leute zu interessieren. Apropos Musik hören: ich habe geplant dieses Wochenende meinen MP3-Player mit nach Dresden zu nehmen. Aber da mich Musik nicht körperlich beschäftigt, werde ich mir wohl doch überlegen müssen, was ich nächstes Mal im Zug machen werde. Meist sind es die kleinen Dinge und die kurzen Momente, die mich von meiner Langeweile ablenken. Doch diese Situationen sind leider unregelmäßig verteilt. Letztens standen wir kurz an einem Bahnhof in der Nähe von Ruhland. Genau vor meinem Fenster war ein Gänsestall. Ach, waren das herrliche 3 Minuten. Da war ich auch schon fast zuhause. Das ist dann noch mal ein Motivationsschub. Die frische Luft beim Umsteigen in Ruhland belebt den platt gesessenen Körper. Die Uhr sagt: “Das Schlimmste hast du geschafft!” und die Gedanken an das Wochenende lassen die Welt wieder besser erscheinen. In dem anderen Zug sind dann auch wieder neue Leute. Und das “Die Bahn”-Personal ist anders. Dann fragt mich wieder einer nach meinem Fahrschein. Und das jedes Mal wenn ich im Zug sitze.

Und ab in den Krieg...

Yeah,
erster Eintrag im Blog und schon ein politisches Statement.
Eigentlich wollte ich irgendwas gutes, schönes schreiben, zum Beispiel, warum American Horror Story so toll ist... oder Buffy... oder beides...

Naja, das kommt bestimmt noch. Erst mal ein bisschen Dienstagmorgen-Entrüstung.

Die ganze Welt redet in letzter Zeit vom Krieg, von den Krisen in der Ukraine und im Irak, von Putins Machtbesessenheit, von der Brutalität der IS-Kämpfer.
Was mich an der ganzen Sache entsetzt, ist die Tatsache, wie schnell man sofort in Feindbilder rutscht. Der WDR-Chefredakteur spricht in einem ARD-Kommentar offen vom kalten Krieg (hab hier leider keinen Link, ist schon eine Weile her, sorry) und davon, keine Angst davor zu haben, den letzten hätte man ja gewonnen, die Bundesregierung beschließt Waffenlieferungen in den Irak, die Nato stellt eine Kampftruppe gegen Russland zusammen und fordert von allen Mitgliedsstaaten höhere Rüstunsausgaben.
Und am meisten erschreckt mich, wie natürlich jedermann auf einmal über einen möglichen Krieg redet. Gestern war ich mal wieder unter Leuten und hab halb mitbekommen, wie ein paar Leute im Scherz darüber gesprochen haben, was man am besten tun könnte, wenn Russland auch in Deutschland einmarschiert. Olli Schulz und Jan Böhmermann definierten in ihrer Sendung "Sanft & Sorgfältig" am Sonntag "Die großen Fünf" diesmal als die großen fünf Fluchtmöglichkeiten im Falle eines russischen Einmarsches. Klar, das läuft momentan alles auf einer ironischen Ebene, aber das allein finde ich schon heftig.
Ich meine, was soll das, ich dachte, wir waren immer so demokratisch, haben versucht, alles mit Worten zu lösen, selbst als die Mehrheit schon aufgegeben hatte.
Und jetzt rasseln alle mit ihren Ketten.

Heute früh hab ich ein Interview zum Thema "Deutsche kämpfen als Dschihadisten mit dem IS" gesehen. Was sich da durchzieht ist die Fassungslosigkeit, wie kann denn bitte jemand so etwas machen und freiwillig für jemanden kämpfen (und dann auch noch ausgerechnet für den IS).
Aber man muss sich doch nur mal anschauen, was für Töne man im eigenen Land anschlägt, um Leute für den Krieg zu motivieren. Ich kann mich nicht auf der einen Seite über solche "Kriegsbegeisterte" Islamisten aus Deutschland aufregen und auf der anderen Seite Videos produzieren, auf denen eine weltweite  Verteidigung der Freiheit durch deutsche Soldaten im Call-of-Duty-Stil gezeigt wird.

Mich stört bei all dem eigentlich bloß, mit welcher Selbstverständlichkeit man in egal welchem Konflikt sofort die moralische Überlegenheit beansprucht. Zugegeben, Deutschland ist im letzten halben Jahr nicht einfach so in ein Nachbarland einmarschiert und die Bundeswehr hat in den letzten 10 Jahren mit Sicherheit wesentlich weniger Kriegsverbrechen begangen, als es der IS momentan tut. Und trotzdem, das Bild von dem ach so diplomatischen Deutschland, der Freiheitsverteidigenden EU, dem Westen, der immer nur die andere Wange hinhällt, will sich bei mir einfach nicht so richtig einstellen.

Montag, 8. September 2014

Kein weiterer Logos-Film

Es wird keinen fünften Logos-Film geben. Die Filmreihe, die ich 2012 gestartet habe, um mich stärker mit den Extremen der Gefühlswelt einer nachdenklichen Jugend auseinanderzusetzen, endet also mit Besuch. Ursprünglich als fünfteilige Serie geplant, erscheint mir das Material für den letzten Film als zu zerrissen. Ich kann mich sowieso kaum noch technisch mit der Reihe identifizieren, zu lange Einstellungen, zu viele Gespräche mit schlechtem Ton, sehr durchwachsene Schauspielerei. Aber dieser letzte Teil war da noch einmal eine besondere Herausforderung.

Nun, was soll ich sagen? Er war viel zu ambitioniert. Das Material ist durch einen technischen Fehler fast komplett zerstört worden, dem Rohschnitt der übrigen Szenen fehlen Schnittbilder, Gegenschüsse, nachvollziehbare Emotionen, und die in über einem Jahr in von mir beauftragter Sklavenarbeit rotoskopierten Actionsequenzen sind unfertig und fühlen sich nicht gut an.

Deshalb werde ich den Film nicht mehr veröffentlichen. Andere Ideen warten schon darauf, angegangen zu werden, aber ich muss auch einsehen, wenn etwas gescheitert ist, sodass ich daraus für die Zukunft lernen kann. Beziehungsweise habe ich in diesen zwei Jahren bereits daraus gelernt, ich war nur noch nicht bereit dafür, mich vom alten Ballast zu befreien.

Samstag, 6. September 2014

Wollt ihr wissen was Liebe ist? (I)



Wollt ihr wissen was für mich Liebe ist?


Dann schaut euch How to train  your Dragon 2 an. Da gibt es diese eine Szene, ist mir jetzt egal, wenn ich euch spoile, diese eine Szene wo Stoick auf seine Frau trifft. Nur dachte Stoick seit über zehn Jahren, dass seine Frau von Drachen getötet wurde. Stattdessen wurde sie nur entführt und entschied sich für ein Leben unter den Drachen, weil sie ihr wahres Wesen erkannte. Und jedenfalls trifft Stoick nach all diesen Jahren überraschend auf eben diese Frau, die er liebte und die so schnell aus seinem Leben gerissen wurde. Und als sie sich sehen sagt er nichts mehr, er geht einfach langsam auf sie zu. Seine Frau, Valka, kann damit nicht umgehen, weicht zurück, versucht sich zu entschuldigen, ihre Situation zu erklären, faselt etwas von Ausflüchten. Aber Stoick geht einfach weiter auf sie zu. Valka geht so weit zurück bis sie an die Wand stößt, hält ihren Stab schützend vor ihre Brust, kann nicht deuten wie Stoick auf sie reagiert. Sie bittet ihn darum, sie doch wenigstens anzubrüllen, doch Stoick geht einfach auf sie zu. Er berührt mit seiner riesigen Pranke sanft das Gesicht seiner Frau und spricht nach kurzem Zögern diesen einen Satz. 


Und dann küsst er sie sanft und vorsichtig auf ihre Lippen.
Das ist Liebe. 

Die Klowände des Internets

Das Schreiben ist für mich eine Möglichkeit, Gefühlen Ausdruck zu verleihen, die ich sonst wahrscheinlich ignorieren würde. Ob das Ignorieren nun auf längere Sicht negativ wäre, kann ich gar nicht sagen. Die Wissenschaftswelt ist da auch nicht viel weiter. Ich kann jedoch sagen, dass das konkrete Beschäftigen mit diesen Gefühlen, mir einen besseren Eindruck verschafft, was diese dumpfen Regungen in meinem Körper überhaupt sind. Ist es ein verpasster Zug, der mir den Tag versaut hat? Ist es dieser eine Blick, der mich den ganzen Tag über lächeln lässt? Durch das Schreiben reflektiere ich mein Leben und lasse andere Anteil haben, an diesen Beobachtungen. Ob es ihnen in ihrer Situation hilft, weiß ich nicht.

Ich schreibe trotzdem gern öffentlich, weil diese Möglichkeit des Veröffentlichens, Überall-Lesens, des anonymen In-Kontakt-Tretens, des Verstehens, obwohl man sich nie gesehen hat, etwas ist, das in mir eine gewisse Endgültigkeit der Sache nach sich zieht. Ich schließe mit einem Teil eines Themas ab. Ich kann mich auf neue Erfahrungen konzentrieren. Ich habe etwas erzählt, und wenn man mich danach fragt, dann kann ich darauf verweisen, anstatt dasselbe immer und immer wieder neu erzählen und damit auch neu erleben zu müssen. Das hilft mir, Gefühle zu überwinden, aber auch sie anzuerkennen.

Ich sehe darin eine Chance, mich selbst besser kennenzulernen und anderen etwas zu zeigen, das sie nicht erwarten. Möglicherweise erwarten sie ja auch nicht viel. Das ist auch okay, dann gibt es eben eine größere Überraschung. Mir geht es jedenfalls darum, dass ich mich selbst wohl fühle, weil ich weiß, dass ich mich mit etwas beschäftigt und wieder etwas dazugelernt habe. Ob ich nun über meine Gefühlswelt schreibe oder meine Lieblingsmedien präsentiere, ich entdecke immer wieder etwas, das ich vorher noch nicht so gesehen habe. Und das tut gut. Bloggen ist dabei nur eine unter vielen Möglichkeiten und es liegt an jedem selbst, zu entdecken, was ihn mitreißt und was ihm dabei helfen kann, sich weiterzuentwickeln.

Donnerstag, 4. September 2014

Leipzig, I

Ich bin seit drei Jahren in Leipzig und fühle mich nicht so, als hätte ich irgendetwas Besonderes erlebt oder mitbekommen. Vielleicht liegt das daran, dass ich Städten ab einer gewissen Größe keine Bedeutung mehr beimesse, weil eh alles gleich ist, und Leipzig es gerade so geschafft hat, noch im unteren Teil dieser Belanglosigkeit mit einzusteigen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich ein ziemlich fauler Mensch bin, dessen Leben aus Internetmemes, Analysen von international angehauchten, politischen Texten und aus populärwissenschaftlichen Youtube-Videos besteht, und ich da keine funktionierende soziale Beziehung zu meinem Wohnort benötige. Aber vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich wirklich sehr viel Zeug in Leipzig gesehen habe und das nicht alles in der Geschwindigkeit verarbeiten kann, die für mich angemessen wäre.

Es spielt keine Rolle. Das Gefühl ist da. Und ich frage mich, ob es mich stört. Ich glaube, dass es mich stört, weil Menschen in meiner Nähe mich immer wieder darauf ansprechen, wie cool doch Leipzig wäre, wie viele geile Veranstaltungen dort sind und was man da kulturell alles erleben kann. Und das lässt mein Schuldbewusstsein aufhorchen: "Hey Henry, was hast du denn eigentlich schon von Leipzig gesehen? Warst du jetzt schon auf dem Völkerschlachtdenkmal? Oder, wenn dich das als Pazifisten nicht so anspricht, vielleicht schon im Grassi-Museum, in das du ständig Leute schickst, wenn sie dich fragen, was sie in Leipzig tun sollen?" - "Ähm", ist meine Antwort, "nein, noch nicht." Ich war zu Hause, hab Serien geschaut und geschlafen.

In meinem Inneren hingegen denke ich gleichzeitig daran, dass mir das eigentlich alles egal ist. Nicht, weil ich denke, dass Wissen über seinen Wohnort oder über bestimmte geschichtliche Stätten Unsinn ist, aber weil es auf meiner Prioritätenliste, was ich gern wissen würde, eben nicht gerade hoch angesetzt ist. Aber hast du nicht gerade eben geschrieben, dass du faul bist und da Potenzial wäre, noch etwas herauszuholen? Nein. Wenn ich faul bin, dann bin ich faul, dann ruhe ich mich aus, weil mehr Einflüsse in diesem Moment eher kontraproduktiv wären. Aber schreibst du nicht gerade diesen Beitrag und könntest du dafür nicht in Leipzig unterwegs sein und dir etwas anschauen, was du dir immer schon einmal anschauen wolltest. Hört auf, intelligente Fragen zu stellen! Ich war schon in der Spinnerei und im Westwerk und im zeitgeschichtlichen Forum. Aber jetzt gerade nicht. Jetzt bin ich hier und schreibe diesen Artikel, weil ich denke, dass ich mich mit diesem Problem genauer auseinandersetzen muss.

Und soweit ich das beurteilen kann, trifft von den oben genannten Möglichkeiten wohl eher die letztgenannte zu. Ich bin unterwegs, ich schaue mir unglaublich viele Dinge an; auch Dinge, die mich nicht wirklich interessieren, was einen Großteil der künstlerischen Szene in Leipzig ausmacht, weil ich sie nicht kenne, weil ich keinen Zugang zu ihr habe, weil ich mich nicht danach fühle, meine Fühler danach auszustrecken, aber wahrscheinlich dazulernen könnte. Ich schaue mir diese Dinge an, obwohl sie mich nicht interessieren, weil ich für mich denke, dass ich gar keine Ahnung habe, ob sie mich wirklich interessieren. Mir ist nur bewusst, wie unglaublich riesig das Internet ist und was ich dort alles schon gesehen habe. Und nur weil meine wohnliche Umgebung auch Kunst produziert, habe ich eben nicht sofort einen emotionalen Bezug dazu.

In meiner Vorstellungswelt ist diese Kunst meist auch regional gefärbt, was mich immer ein wenig zurückschrecken lässt, obwohl ich nicht einmal richtig weiß, was das bedeutet. Ich denke, dieses mir vom MDR verabreichte Credo meint, dass sich Künstler von ihrer Umgebung inspirieren lassen. Und wie gesagt, ich habe ja nicht wirklich eine Beziehung zu Leipzig, also stößt mich das eher ab und zieht für mich die Beiträge der Künstler noch weiter nach unten, als dass ich mir sage: Hey, jo, Leipziger Kultur, geil. Nein, nicht geil. Manchmal fühlt sich das bei mir so an, als ob ich ein neues Familienmitglied akzeptieren lernen muss, das mir mit seinen oberflächlichen deutschen Eigenheiten auf die Nerven geht, aber dessen innere Stärken ich noch nicht gefunden habe. Eins kann ich euch aber sagen: Ich bin auf der Suche nach diesen Stärken.

Für mich bedeutet das vielleicht auch: Mehr Abenteuer in Leipzig, weniger Computer und Internet. Klingt bisher eher nach einem schlechten Deal. Aber ja, ich gebe die Hoffnung nicht auf, in Leipzig auch etwas zu finden, was mich wirklich mitreißt und mir nicht nur ein eher müdes: "Ja, ist ganz nett", abringt. Das gilt übrigens auch für dich, Weimar. Ich liebe dich, ja. Aber da geht noch mehr. Ich will geile Startups von dir, noch viel mehr Kunst als Bauhaus und weiterhin so viele großartige Menschen. Ich beobachte dich! Jedenfalls sind jetzt für September noch einige Ausflüge in die Leipziger Kulturszene geplant. Und da ich diesen Beitrag jetzt beenden möchte, lasse ich mich einfach mal überraschen, anstatt vielleicht schon vorher alles kaputt zu denken.